Henrik B. fragte am 13.09.2017 zum Thema Krankenversicherung, Leistungen

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Barmer ihre Mittel nicht länger für wissenschaftlich nicht belegbare Heilverfahren und Arzneimittel wie beispielsweise Homöopathie verschwendet?

Ulrike Hauffe antwortete

Sehr geehrter Herr Blendin,

Grundlage für Entscheidungen für Diagnostik und Behandlungen im Gesundheitswesen sollte da, wo es geht, die Evidenz sein. Sie merken, ich schreibe: da, wo es geht. Es gibt nach wie vor viele Therapieangebote im Gesundheitswesen, die nicht auf Grundlage randomisierter, kontrollierter Studien zur Anwendung kommen. Und diese Studien auf wissenschaftlich hohem Niveau sind die Basis für Aussagen über Evidenz. Ich würde mir sehr wünschen, es würde deutlicher gemacht, welche Aussagen auch über andere Therapieangebote auf welcher Studienbasis beruhen, auch in der Schulmedizin.

Deshalb: Ich weiß um die derzeit fast erbittert geführte Debatte um die Homöopathie und ihre Finanzierung im GKV-System. Im Vergleich zu den gesamten Leistungsausgaben der BARMER liegen die Ausgaben für Homöopathie bei 0,01 %. Und: Die BARMER übernimmt keine Kosten für homöopathische Arzneimittel - außer die gesetzlich zugelassenen. Wenn wir alle nicht evidenzbasierten Leistungen aus dem Leistungskatalog nehmen würden, würden viele Maßnahmen fehlen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich stehe sehr hinter der Deutschen Gesellschaft für Evidenzbasierte Medizin. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir mit Aufklärung weiterkommen, weniger mit Verboten.

Wir müssen uns doch fragen, warum sog. alternative Behandlungsmethoden für manche Menschen attraktiv sind. In der Frankfurter Rundschau vom 07. August gab es auf der Seite 2-3 ein beeindruckendes Interview mit Dr. med. Bernd Hontschik, einem Chirurg, der regelmäßig in dieser Zeitung eine fast immer lesenswerte Kolumne "Dr. Hontschiks Diagnose" schreibt. In diesem Interview setzt er sich mit dem Streit um Schulmedizin und alternativen Heilverfahren, insbes. der Homöopathie auseinander. Vielleicht finden Sie das Interview noch im Netz. Es lohnt sich zu lesen. Ich bin sicher, die Aussagen werden Sie anregen.
Er formuliert, dass die Schulmedizin einen wichtigen Faktor zur Genesung verloren hat: das ausführliche diagnostische und therapeutische Gespräch, das sich fühlbar Kümmern. Er kritisiert die Schulmedizin darin, den Menschen als "Maschinenmodell" zu verstehen. Auch wenn die Kritik harsch ist - im Kern ist sie richtig. (Auch Prof. Giovanni Maio, ein in Freiburg lehrender Medizin-Ethiker formuliert es ähnlich.) Teuer ist unser Gesundheitswesen genau auch deshalb, weil - auf kurze Befindlichkeitsäußerungen von ratsuchenden Patientinnen und Patienten - schnell und gleich eine apparative oder medikamentöse Antwort gegeben wird. Ob sie immer sinnvoll ist? Wahrscheinlich nicht. Dieser von vielen Patientinnen und Patienten erlebte Umgang macht meiner Meinung nach die alternativen Heilmethoden besonders attraktiv - auch wenn sie bisher nur wenig bis begrenzt wissenschaftlich belegt sind.

Ich hoffe, ich konnte zur Klärung beitragen. Wenn nicht ausreichend, fragen Sie gerne nochmals nach. Und selbstverständlich wünsche ich mir sehr, dass Sie die verdi-Liste wählen werden.
Herzliche Grüße
Ihre
Ulrike Hauffe