Ellen O. fragte am 13.07.2017 zum Thema Gesundheitspolitik

Deutschland führt im europäischen Vergleich bei der Rangliste der Übergewichtigen/Gesamtbevölkerung. Was kann man tun, um dieser Risikogruppe besser zu helfen bzw. sie aufzuklären?

Ulrike Hauffe antwortete

Sehr geehrte Frau Ohlen,

Ihre Frage ist nicht einfach zu beantworten, da Übergewicht ein multifaktorielles, also von vielen Begründungen abhängiges Geschehen ist. Deutlich mehr übergewichtige Menschen gibt es in den eher armen Bevölkerungsgruppen. Und hier kommen wir natürlich nicht durch einen Aufruf für gesündere Ernährung weiter. Ich bin sicher, dass auch Sie bei diesem gesellschaftspolitische. Befund daran nicht gedacht hätten. Aber so ist es nun einmal: Gesunde Ernährung gilt als eher teurer. Nur, mit diesem Zusammenhang können wir uns nicht zufrieden geben. Selbstverständlich lernen Kinder schon sehr früh von ihren Eltern, Sie imitieren, auch Esskultur. Und hier sehen wir in Deutschland - genau wie bei der Armutsentwicklung - familiale Karrieren, die schon über Generationen zu beobachten sind. Schlussfolgerung hieraus muss eigentlich sein, die vorhandene soziale Schere mehr und mehr zu schließen. Die Realität sieht leider anders aus.
Und weil das so ist werden kompensatorisch mehr und mehr Programme entwickelt, Kinder frühzeitig zu bilden, sich gut zu ernähren, damit sie Lust an Alternativen haben.
Z.B. sind die Gelder, die durch das neue Präventionsgesetz zur Verfügung stehen, einsetzbar, um die KiTa-Ernährung positiv zu beeinflussen. Heißt, den Kindern Angebote zu machen, bei denen sie lernen, gesunde Nahrungsmittel zu erkennen und mit ihnen lustvoll tolles Essen zuzubereiten. Die BARMER hat ein großes Programm mit Sarah Wiener aufgelegt, das genau das Ziel hat, möglichst viele KiTas mit gesunder, selbst zubereiteter Ernährung zu erreichen. Nun können Sie denken: Sarah Wiener? Die Promi-Köchin? Ja, Sarah Wiener passt genau in das Konzept der BARMER, da sie regionale, gesunde und günstige (!) Produkte verarbeitet - mit den Kindern und ihren Eltern. Unschwer zu erkennen: Dies ist ein präventiver Ansatz. So auch der, den das Land Brandenburg m.W. ausprobiert, nämlich "School Nurses" an den Schulen zu etablieren. Auch hier ist ein Ziel, das Ernährungsverhalten von Schülerinnen und Schülern zu beeinflussen.
Nun sind nicht alle Menschen, die (potentiell) übergewichtig sind, Kinder. Wir sehen zunehmend - Sie beschreiben es in Ihrer Frage - übergewichtige Erwachsene. Bei Erwachsenen spielen Ärztinnen und Ärzte eine große Rolle, die ihren Patientinnen und Patienten den Zusammenhang von Übergewicht und spezifischen Folgeerkrankungen vermitteln können. Wir beide ahnen sicherlich, wieviel Fingerspitzengefühl für derartige Gespräche nötig ist, damit sie im Ergebnis nachhaltig sind. Krankenkassen haben hier eine Rolle als Aufklärerin. Sie können Anstoß geben, z.B. durch Informationsmaterial und Hinweise auf hilfreiche Kursangebote, die auch von der Kasse finanziert werden. Diese Kurse müssen jedoch qualitätsgesichert sein, sonst machen sie wenig Sinn. Z.B. ist das Ernährungsverhalten von übergewichtigen Männern und Frauen sehr verschieden und darauf müssten derartige Kurse eingehen können. Sehr geehrte Frau Ohlen, Sie merken, ich bin ins "Plaudern" gekommen. Ich könnte noch sehr viel mehr aufschreiben, was nur klar macht, dass Übergewicht nicht gleich Übergewicht ist. Und eine Methode oder ein bestimmtes Vorgehen nicht diesem komplexen Problem eine allumfassende Antwort geben kann. Ich hoffe jedoch sehr, dass ich Ihnen auf Ihre Frage einige Erkenntnisse mitteilen konnte, die für Sie hilfreich sind.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Ulrike Hauffe