Die Sozialwahlen 2023 stehen an und auch dieses Mal können Sie auf Sozialversicherung.watch (kurz: sv-watch) in Kontakt treten mit den Spitzenkandidat*innen der ver.di-Listen und ihnen Fragen stellen.
Die letzten Vorbereitungen laufen, so dass die überarbeitete Seite in den nächsten Wochen online gehen kann. In der Zwischenzeit können Sie sich gerne die Fragen und Antworten ansehen, die den Spitzenkandidat*innen bei der letzten Sozialwahl gestellt wurden.
Sehr geehrte Frau Kalisch,
Sie haben recht mit Ihrer Beobachtung. Und die planenden und entscheidenden Gremien arbeiten an dieser schwierigen Situation, die nicht unkompliziert ist, weil Menschen in dem von ihnen empfundenen Notfall dorthin gehen, wo sie die beste Versorgung erwarten. Ihre Entscheidung, dann zur Notaufnahme zu gehen ist häufig nicht richtig, aber nur mit dieser Erkenntnis verändern wir nichts.
Die Notfallversorgung ist in Deutschland in drei Bereiche gegliedert, die jeweils eigenständig organisiert sind und eigenen gesetzlichen Regelungen unterliegen: der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser.
Die fehlende Abstimmung der drei Bereiche untereinander trägt dazu bei, dass Patientinnen und Patienten oftmals nicht am angemessenen Versorgungsort behandelt werden. Eine verbesserte Koordination der drei Bereiche reicht alleine nicht aus, sondern es müssen auch patientInnenorientierte Strukturen geschaffen werden. Nicht die Menschen müssen erzogen werden, dass sie die vorhandenen Strukturen „richtig“ nutzen, sondern den Menschen muss dort, wo sie die Notfallversorgung aufsuchen, Angebote gemacht werden, die den Bedarf und die richtige Versorgungsebene treffen. Eigentlich ist es richtig, wenn verschiedene Versorgungsebenen „unter einem Dach“ angeboten werden. Das heißt, es müssen auch ambulante vertragsärztliche Strukturen am Krankenhaus angeboten werden, die leichtere Notfälle versorgen und dazu beitragen, dass die Kapazitäten der Krankenhausambulanzen für schwere, zeitkritische Notfälle bereitgehalten werden. Die mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) geschaffene Verpflichtung, KV-Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern einzurichten, ist ein Schritt in die richtige Richtung, bedarf aber bundeseinheitlicher Rahmenvorgaben, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit und die personelle Ausstattung. Zudem ist eine bessere Koordination der verschiedenen Bereiche der Notfallversorgung dringend geboten. Strukturen, die an den Bedarfen der Menschen, die Hilfe benötigen, ansetzen müssen folgende Kriterien erfüllen: einfache Auffindbarkeit, 24-stündiger, möglichst barrierefreier Zugang, zeitnahe Verfügbarkeit einer umfassenden Diagnostik und gute Qualität der Behandlung.
Es liegt ein Konzept für eine Neustrukturierung der Notfallversorgung vor, in dem die beschriebenen Strukturen eingefordert werden. Dieses Konzept wird zur Zeit in den Gremien der gesetzlichen Krankenversicherung abgestimmt und wird danach in die politische Diskussion eingebracht. Ich bin - sicherlich auch wie Sie - gespannt auf diese Debatte und ihre Folgen.
Mit herzlichem Dank für Ihre Frage verbleibe ich.
Ihre
Ulrike Hauffe