Die Sozialwahlen 2023 stehen an und auch dieses Mal können Sie auf Sozialversicherung.watch (kurz: sv-watch) in Kontakt treten mit den Spitzenkandidat*innen der ver.di-Listen und ihnen Fragen stellen.
Die letzten Vorbereitungen laufen, so dass die überarbeitete Seite in den nächsten Wochen online gehen kann. In der Zwischenzeit können Sie sich gerne die Fragen und Antworten ansehen, die den Spitzenkandidat*innen bei der letzten Sozialwahl gestellt wurden.
Sehr geehrter Herr Dehn,
ich habe etwas nachdenken müssen, um mir zu überlegen, wie ich Ihnen am besten antworte, denn eine schnelle kurze Antwort würde Ihrer Frage nicht gerecht.
Zunächst einmal freut es mich, dass Sie unsere zentralen Aussagen im BARMER-Heft richtig finden und ich hoffe sehr, Ihre Stimme für die Liste 2 gewinnen zu können.
Nun zu Ihrer Anmerkung: In der Frankfurter Rundschau vom 07. August gab es auf der Seite 2-3 ein beeindruckendes Interview mit Dr. med. Bernd Hontschik, einem Chirurg, der regelmäßig in dieser Zeitung eine fast immer lesenswerte Kolumne "Dr. Hontschiks Diagnose" schreibt. In diesem Interview setzt er sich mit dem Streit um Schulmedizin und alternativen Heilverfahren, insbes. der Homöopathie auseinander. Vielleicht finden Sie das Interview noch im Netz. Es lohnt sich zu lesen. Ich bin sicher, die Aussagen werden Sie anregen.
Er formuliert, dass die Schulmedizin einen wichtigen Faktor zur Genesung verloren hat: das ausführliche diagnostische und therapeutische Gespräch, das sich fühlbar Kümmern. Er kritisiert die Schulmedizin darin, den Menschen als "Maschinenmodell" zu verstehen. Auch wenn die Kritik harsch ist - im Kern ist sie richtig. (Auch Prof. Giovanni Maio, ein in Freiburg lehrender Medizin-Ethiker formuliert es ähnlich.) Teuer ist unser Gesundheitswesen genau auch deshalb, weil - auf kurze Befindlichkeitsäußerungen von ratsuchenden Patientinnen und Patienten - schnell und gleich eine apparative oder medikamentöse Antwort gegeben wird. Ob sie immer sinnvoll ist? Wahrscheinlich nicht. Dieser von vielen Patientinnen und Patienten erlebte Umgang macht die alternativen Heilmethoden besonders attraktiv - auch wenn sie bisher nur wenig bis begrenzt wissenschaftlich belegt sind. Und hier liegt das Problem: der wissenschaftliche Wirknachweis ist Grundlage der Entscheidungen des obersten beschluss- und zulassungsgebenden Gremiums im Gesundheitswesen, dem sog. GBA, dem "Gemeinsamen Bundesausschuss". Dessen Entscheidungen sind bindend für die Krankenkassen. Alle Zusatzleistungen über die Entscheidungen des GBA hinaus sind Satzungsleistungen der Kassen - beschlossen durch die Verwaltungsräte -, die sie durch das BVA, das Bundesversicherungsamt genehmigen lassen müssen.
Sie merken, so einfach ist das Einsetzen für alternative Heilmethoden nicht. Und ganz verkehrt ist es auch nicht, qualitative Hürden für die Zulassungen im Gesundheitssystem einzubauen, denn was ansonsten passieren würde mag ich mir - da wo viel Geld regiert - gar nicht ausmahlen. Was mir wichtig ist: Wir müssen uns Strategien überlegen, wie wir diagnostische und therapeutische Gespräche besser bezahlen zulasten der Apparate- und Medikamente-Medizin. Ich bin überzeugt, dass dann viele Behandlungen überflüssig würden, die Selbstheilungskräfte der Patientinnen und Patienten stärker wirksam werden können und der Naturheilkunde ein anderer Stellenwert - auch in der Forschung - zukommen würde.
Ich hoffe, Sie konnten meinen Gedanken folgen. Und bitte wählen Sie! Am liebsten natürlich die Verdi-Liste 2.
Ihre
Ulrike Hauffe